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Grundlagen der europäischen Standardszenarien
Definition und Zielsetzung von STS 01 und STS 02
Die europäischen Standard-Szenarien STS 01 und STS 02 wurden im Rahmen der EU-Drohnenverordnung eingeführt, um standardisierte und rechtssichere Rahmenbedingungen für den Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen (UAS) in der speziellen Kategorie zu schaffen. Ziel dieser Szenarien ist es, Betreibern die Durchführung von Einsätzen mit mittlerem Risiko zu ermöglichen, ohne dass ein langwieriges Einzelgenehmigungsverfahren durchlaufen werden muss. STS 01 regelt Flüge innerhalb der Sichtweite (VLOS), während STS 02 den Betrieb außerhalb der Sichtweite (BVLOS) beschreibt. Beide Szenarien setzen klare Anforderungen an Technik, Personal und Betriebsbedingungen. Damit soll ein einheitliches Sicherheitsniveau im europäischen Luftraum gewährleistet werden.
Rolle der EASA bei der Entwicklung der STS-Szenarien
Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) spielt eine zentrale Rolle bei der Konzeption und Weiterentwicklung der STS-Szenarien. Sie ist verantwortlich für die Erarbeitung der technischen Vorgaben, die Definition der Einsatzbedingungen sowie die Harmonisierung der Anforderungen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten. Die EASA orientiert sich dabei an internationalen Standards und berücksichtigt aktuelle Entwicklungen in Technologie und Betriebssicherheit. Durch diese zentrale Steuerung wird eine Vergleichbarkeit der Betriebsbedingungen in ganz Europa sichergestellt. Zudem ermöglicht die EASA die kontinuierliche Anpassung der STS-Szenarien an neue Herausforderungen im Drohneneinsatz.
Einordnung in die spezielle Kategorie für Drohnenflüge
STS 01 und STS 02 sind beiden der speziellen Kategorie (Specific Category) zugeordnet, die Flüge mit erhöhtem Betriebsrisiko abdeckt. Diese Kategorie liegt zwischen der offenen und der zulassungspflichtigen Kategorie und verlangt entweder eine Betriebserklärung auf Basis eines Standardszenarios oder eine individuelle Risikoanalyse. Die Einordnung basiert auf Faktoren wie Flughöhe, Nähe zu unbeteiligten Personen, Art der Umgebung und Sichtverhältnissen. Durch die Nutzung eines STS kann der Betreiber von einer vereinfachten Betriebserklärung profitieren, sofern alle Vorgaben strikt eingehalten werden. Dies erleichtert insbesondere professionellen Anwendern die rechtskonforme Durchführung ihrer Drohnenoperationen.
STS 01: Betrieb innerhalb der Sichtweite (VLOS)
Voraussetzungen für den Einsatz von STS 01
Für den Einsatz von STS 01 müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Der Pilot muss stets direkten Sichtkontakt zur Drohne haben, wobei Hilfsmittel wie Ferngläser oder Kameras unzulässig sind. Der Flug darf ausschließlich innerhalb eines definierten geografischen Gebiets erfolgen, das als sicher für Drittdritte eingestuft ist. Zudem muss der UAS-Betreiber eine Betriebserklärung gemäß den Vorgaben der EASA einreichen. Eine weitere Voraussetzung ist die Nutzung einer Drohne der Klasse C5, die bestimmte technische Anforderungen erfüllt.
Technische Anforderungen an C5-Drohnen
C5-Drohnen sind speziell für STS 01 zertifiziert und müssen bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen. Dazu gehören ein Fluglagenstabilisator, ein Geo-Caging-System sowie ein Flight Termination System (FTS). Die Drohne muss außerdem eine maximale Abflugmasse von 25 Kilogramm einhalten und darf keine gefährlichen Güter transportieren. Ein akustisches Warnsystem zur Signalisierung kritischer Zustände ist ebenfalls vorgeschrieben. Hersteller müssen die Konformität mit der C5-Klassifizierung durch eine CE-Kennzeichnung nachweisen.
Betriebsbedingungen und Einsatzumgebungen
STS 01 erlaubt den Drohnenbetrieb nur in definierten und kontrollierten Umgebungen, in denen unbeteiligte Personen nicht gefährdet werden. Der Flug darf nicht in der Nähe von Menschenansammlungen oder sensiblen Infrastrukturen stattfinden. Der Start- und Landeplatz muss klar abgegrenzt und abgesichert sein. Auch meteorologische Bedingungen spielen eine Rolle: Der Einsatz ist nur bei Sichtflugbedingungen erlaubt. Bei schlechter Sicht, starkem Wind oder Regen ist der Flug untersagt.
Maximale Flughöhe und Sicherheitszonen
Die maximale zulässige Flughöhe unter STS 01 beträgt 120 Meter über Grund. Diese Begrenzung dient der Minimierung des Kollisionsrisikos mit bemannter Luftfahrt. Zusätzlich muss ein horizontaler Sicherheitsabstand zu unbeteiligten Personen und Gebäuden eingehalten werden. Je nach Einsatzort kann die zuständige Behörde weiterführende Auflagen zur Sicherheitszone machen. Die Einhaltung dieser Höhen- und Distanzvorgaben ist zwingend erforderlich und unterliegt der behördlichen Kontrolle. Zuwiderhandlungen können zu Sanktionen und Lizenzentzug führen.
STS 02: Betrieb außerhalb der Sichtweite (BVLOS)
Voraussetzungen für den Einsatz von STS 02
STS 02 ermöglicht den Betrieb von Drohnen außerhalb der direkten Sichtverbindung (BVLOS), stellt jedoch deutlich höhere Anforderungen. Der Betreiber muss nachweisen, dass geeignete technische Mittel zur Lageerkennung und Kollisionsvermeidung vorhanden sind. Der Einsatzbereich muss eindeutig definiert und abgesichert sein, typischerweise fernab von Wohngebieten und Menschenansammlungen. Zudem sind redundante Kommunikationssysteme erforderlich. Der Betrieb darf ausschließlich mit einer C6-Drohne erfolgen.
Technische Anforderungen an C6-Drohnen
Drohnen der Klasse C6 sind speziell für BVLOS-Flüge konzipiert und müssen über eine besonders hohe Ausfallsicherheit verfügen. Sie müssen mit einem erweiterten Geo-Caging-System ausgestattet sein, das eine präzise Eingrenzung des Flugraums ermöglicht. Ein funktionierendes Flight Termination System ist obligatorisch, ebenso wie eine kontinuierliche Telemetrieübertragung. Die Drohne muss zudem in der Lage sein, automatisch zu landen oder in einen sicheren Flugzustand zurückzukehren, falls die Verbindung abreißt. Hersteller müssen die C6-Konformität nachweisen und dokumentieren.
Einsatz von Geo-Caging und Flight-Termination-System
Geo-Caging definiert eine digitale Begrenzung des Einsatzgebiets, innerhalb derer sich die Drohne bewegen darf. Es verhindert das unbeabsichtigte Verlassen des erlaubten Luftraums. In Kombination mit dem Flight Termination System (FTS), das den Flug bei kritischen Fehlern sofort beendet, wird ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet. Diese beiden Systeme sind für STS 02 verpflichtend. Sie müssen regelmäßig gewartet und auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft werden.
Erweiterte Sichtweiten (EVLOS) und Betriebsgrenzen
In bestimmten Fällen kann STS 02 auch mit erweiterten Sichtweiten (Extended Visual Line of Sight, EVLOS) durchgeführt werden. Dabei kommen visuelle Beobachter zum Einsatz, die an festgelegten Punkten entlang der Flugroute positioniert sind. Diese Vorgehensweise erfordert eine präzise Koordination und eine klare Kommunikation zwischen Pilot und Beobachtern. Die Betriebsgrenzen sind strikt einzuhalten – etwa in Bezug auf Flughöhe, Wetterbedingungen und Funkreichweite. Jede Abweichung kann sicherheitsrelevant sein und muss vermieden werden.
Ausbildung und Zertifizierung für STS-Betrieb
Theoretische STS-Ausbildung: Inhalte und Ablauf
Die theoretische Ausbildung für den Betrieb gemäß STS 01 und STS 02 ist gesetzlich vorgeschrieben und bildet die Grundlage für den sicheren Umgang mit komplexeren Drohnenszenarien. Inhaltlich umfasst sie unter anderem Luftrecht, Luftraumstruktur, Meteorologie, Risikomanagement, Betriebsverfahren sowie technische Grundlagen der eingesetzten Systeme. Die Schulung muss bei einer anerkannten Stelle erfolgen, die nach EASA-Standards arbeitet. Der Unterricht kann sowohl in Präsenz als auch online stattfinden, sofern die Qualität der Vermittlung gewährleistet ist. Zum Abschluss der theoretischen Ausbildung muss eine Prüfung bestanden werden, bei der das erworbene Wissen nachgewiesen wird.
Praktische STS-Ausbildung: Schulung und Prüfung
Neben der Theorie ist eine praktische Ausbildung erforderlich, die gezielt auf das jeweilige STS-Szenario vorbereitet. Teilnehmer müssen unter Anleitung erfahrener Ausbilder reale Einsatzsituationen trainieren, einschließlich Start, Flugsteuerung, Notfallmanagement und Kommunikation. Der Schwerpunkt liegt auf dem sicheren und regelkonformen Betrieb der Drohne in der jeweiligen Umgebung. Die Ausbildung endet mit einer praktischen Prüfung, bei der die Fähigkeiten des Fernpiloten bewertet werden. Besteht der Teilnehmer diese Prüfung, erhält er das STS-Zertifikat, das zum Betrieb unter STS 01 oder STS 02 berechtigt.
STS-Zertifikat: Voraussetzungen und Gültigkeit
Um ein STS-Zertifikat zu erhalten, müssen sowohl die theoretische als auch die praktische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen sein. Zusätzlich müssen Antragsteller mindestens 16 Jahre alt sein und einen Nachweis über ihre Zuverlässigkeit sowie gegebenenfalls medizinische Eignung erbringen. Das Zertifikat hat europaweite Gültigkeit und ist in der Regel fünf Jahre lang gültig, kann jedoch durch regelmäßige Fortbildungen verlängert werden. Es ist personenbezogen und nicht übertragbar. Behörden und Arbeitgeber können das Zertifikat zur Überprüfung anfordern, insbesondere bei gewerblichen Einsätzen.
Bedeutung von A1/A3-Nachweis und A2-Zeugnis
Vor der STS-Ausbildung müssen Piloten bereits über eine Basisschulung verfügen. Der A1/A3-Kompetenznachweis ist Voraussetzung für alle Drohnenflüge in der offenen Kategorie und bildet den Einstieg in die Welt der UAS. Das A2-Zeugnis ist zusätzlich notwendig, wenn der Pilot näher an unbeteiligten Personen fliegen will – etwa im städtischen Raum. Beide Nachweise dienen als Fundament für die weiterführende STS-Ausbildung. Sie zeigen, dass der Pilot grundlegende Kenntnisse besitzt und bereits mit rechtlichen und sicherheitstechnischen Aspekten vertraut ist.
Genehmigung und Betriebserklärung
Funktion und Ablauf der STS-Betriebserklärung
Die Betriebserklärung ist der zentrale Verwaltungsakt für den Einsatz unter STS 01 oder STS 02. Der UAS-Betreiber erklärt gegenüber der zuständigen Behörde, dass alle Anforderungen des gewählten Szenarios erfüllt sind. Dies umfasst Angaben zur eingesetzten Drohne, dem Personal, dem Einsatzgebiet und den Sicherheitsmaßnahmen. Die Erklärung muss vor Beginn des Betriebs eingereicht und von der Behörde bestätigt werden. Erst nach erfolgter Bestätigung darf der Flug gemäß STS durchgeführt werden.
Zuständigkeit des Luftfahrt-Bundesamts (LBA)
In Deutschland ist das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) die zuständige Behörde für die Entgegennahme und Prüfung der STS-Betriebserklärung. Das LBA prüft dabei formale und inhaltliche Aspekte und kann bei Unklarheiten Rückfragen stellen oder Nachweise verlangen. Für die Einhaltung der Auflagen ist der Betreiber verantwortlich. Das LBA führt stichprobenartige Kontrollen durch und kann Sanktionen bei Verstößen verhängen. Die Kommunikation mit dem LBA erfolgt in der Regel digital über ein entsprechendes Portal.
Alternativen zur STS-Nutzung: SORA, PDRA und LUC
Nicht alle Einsätze lassen sich unter STS 01 oder STS 02 abbilden. In solchen Fällen sind Alternativen wie die Specific Operations Risk Assessment (SORA), Pre-Defined Risk Assessment (PDRA) oder eine Light UAS Operator Certificate (LUC) sinnvoll. SORA erlaubt individuelle Risikoanalysen für komplexe Szenarien und wird häufig bei innovativen oder gewerblichen Projekten angewandt. PDRAs bieten standardisierte Risikobewertungen für bestimmte Einsatzmuster, ähnlich wie STS. Ein LUC ist ein freiwilliges Zertifikat für Organisationen mit umfassender Betriebserfahrung und ermöglicht den eigenverantwortlichen Betrieb ohne Einzelgenehmigungen.
Technische und betriebliche Anforderungen
Sicherheitsausstattung: FTS und Geo-Caging im Überblick
Zentrale Bestandteile der Sicherheitsausstattung unter STS sind das Flight Termination System (FTS) und Geo-Caging. Das FTS gewährleistet, dass eine Drohne im Notfall sofort außer Betrieb gesetzt werden kann, um Gefahren zu vermeiden. Geo-Caging sorgt dafür, dass die Drohne den vorher definierten geografischen Einsatzbereich nicht verlassen kann. Beide Systeme müssen zuverlässig, getestet und regelmäßig gewartet werden. Ihre Nutzung ist verpflichtend für STS 01 und STS 02, da sie die Einhaltung der Sicherheitsgrenzen gewährleisten.
Kontrollierter Bereich am Boden und weitere Betriebsauflagen
Der kontrollierte Bereich am Boden dient dazu, unbeteiligte Personen vor möglichen Gefahren zu schützen. Innerhalb dieses Bereichs darf sich während des Drohnenbetriebs niemand aufhalten, der nicht zum Einsatz gehört. Die Einrichtung erfolgt durch Absperrungen, Warnschilder oder Sicherheitskräfte. Zusätzlich gelten Betriebsauflagen wie Mindestabstände, Betriebszeiten und Wetterbedingungen. Alle Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, Risiken zu minimieren und einen reibungslosen Betrieb sicherzustellen.
Einhaltung der maximalen Flughöhe von 120 Metern
Unabhängig vom STS-Szenario darf die maximale Flughöhe von 120 Metern über Grund nicht überschritten werden. Diese Grenze ist in der EU-Verordnung festgelegt und dient der Trennung zum bemannten Luftverkehr. In begründeten Fällen können Ausnahmen beantragt werden, etwa bei Inspektionen hoher Bauwerke. Die Flughöhe muss technisch durch die Drohne begrenzt werden – entweder über Software oder durch manuelle Steuerung mit Warnsystem. Ein Verstoß gegen die Höhenbegrenzung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit Bußgeldern geahndet werden.
Unterschiede zwischen STS 01 und STS 02
Vergleich der Betriebsarten: VLOS vs. BVLOS
Der wesentlichste Unterschied zwischen STS 01 und STS 02 liegt in der Art der Sichtverbindung. STS 01 erlaubt Flüge nur innerhalb der direkten Sichtweite (VLOS), wohingegen STS 02 den Betrieb auch außerhalb der Sichtlinie (BVLOS) regelt. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an Technik, Personal und Sicherheitssysteme. BVLOS-Operationen sind komplexer und erfordern ein höheres Maß an Vorbereitung und technischer Ausstattung. VLOS-Flüge hingegen sind schneller umzusetzen und unterliegen weniger strengen Auflagen.
Unterschiede bei Drohnenklassen und Einsatzgebieten
STS 01 erfordert den Einsatz von C5-Drohnen, die leichter und für den Sichtflug optimiert sind. STS 02 hingegen verlangt C6-Drohnen mit erweiterter Sicherheitsausstattung. Auch die Einsatzgebiete unterscheiden sich: STS 01 ist vor allem für urbane oder industrielle Umgebungen mit klarer Sicht geeignet, STS 02 wird meist in ländlichen oder schwer zugänglichen Gebieten genutzt. Die Wahl der richtigen Drohnenklasse ist entscheidend für die Einhaltung der jeweiligen STS-Vorgaben. Zudem beeinflusst sie maßgeblich die Risikobewertung des Einsatzes.
Auswahl des passenden Szenarios für den eigenen Anwendungsfall
Die Entscheidung für STS 01 oder STS 02 hängt vom konkreten Einsatzzweck ab. Wer etwa Bauwerke inspizieren oder in Industrieanlagen fliegen möchte, für den ist STS 01 meist ausreichend. Bei großflächigen Vermessungen, landwirtschaftlichen Anwendungen oder Einsätzen in schwer zugänglichem Gelände ist STS 02 die bessere Wahl. Vor der Wahl des Szenarios sollte stets eine gründliche Risikoanalyse durchgeführt werden. Betreiber sollten außerdem die eigenen technischen, organisatorischen und personellen Kapazitäten realistisch einschätzen, um den sicheren und rechtskonformen Betrieb zu gewährleisten. Mehr lesen