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In modernen Prüf- und Entwicklungslaboren steht die technische Flexibilität im Vordergrund. Testgeräte müssen heutzutage in der Lage sein, nahtlos zwischen positiven und negativen Spannungen zu wechseln. Darüber hinaus müssen sie als Stromquelle agieren oder Energie aufnehmen.
Für diese anspruchsvollen Aufgaben wurde die bi-direktionale DC-Stromversorgung für flexible Testanwendungen entwickelt, die nahtlos zwischen Energieabgabe und -aufnahme wechseln kann. Mit neuartigen Funktionen wie Arbiträr-Wellenformen, Synchronisation und echtem 4-Quadranten-Betrieb revolutionieren diese Systeme die Präzision und Geschwindigkeit der Testtechnik.
Im folgenden Artikel analysieren wir am Beispiel von führenden Anbietern wie Kikusui, welche Innovationen diese intelligenten Versorgungen bereithalten und welchen konkreten Mehrwert sie für Forschung und Entwicklung bieten.
Was versteht man unter bipolaren Stromversorgungen?
Eine bipolare Stromversorgung (oft auch als „Bipolar Power Supply“ bezeichnet) definiert sich durch ihre Fähigkeit, sowohl positive als auch negative Spannungen und Ströme zu erzeugen. Der entscheidende technische Vorteil liegt darin, dass diese Geräte nahtlos durch den Nullpunkt wechseln können, ohne dass dabei die Anschlüsse umgeschaltet werden müssen.
Die Vier-Quadranten-Fähigkeit
Moderne bipolare Systeme erweitern diese Funktionalität um die Fähigkeit zum „Sourcen und Sinken“: D.h., sie können nicht nur Strom abgeben (Sourcing), sondern auch kontrolliert aufnehmen (Sinking). Letzteres ist besonders relevant, wenn das angeschlossene System unerwartet Energie zurückgibt (wie z. B. durch induktive Rückspannungen oder bei einer Batterieentladung).
Diese bidirektionale Funktionalität bei jeder Polarität wird als 4-Quadranten-Betrieb definiert:
- Quadrant I: Positive Spannung und positiver Strom (Sourcing)
- Quadrant II: Positive Spannung und negativer Strom (Sinking)
- Quadrant III: Negative Spannung und negativer Strom (Sourcing)
- Quadrant IV: Negative Spannung und positiver Strom (Sinking)
Die 4-Quadranten-Fähigkeit macht bipolare Stromversorgungen extrem vielseitig: Sie ersetzen in vielen Prüfaufbauten gleich mehrere Geräte (wie eine separate Stromquelle, eine elektronische Last oder einen Netzsimulator).
Trends & neue Features bei bipolaren Stromversorgungen
Die Anforderungen in modernen Testsystemen steigen kontinuierlich. Der Fokus liegt auf höherer Präzision, flexiblerer Steuerung, besserer Effizienz und kompakteren Bauformen. Intelligente bipolare Stromversorgungen reagieren darauf mit einer Vielzahl neuer Funktionen und Trends:
1. Arbiträr-Wellenformen und Sequenzfunktionen
Moderne bipolare Stromversorgungen sind heute in der Lage, komplexe Spannungs- oder Stromprofile präzise auszugeben. Über Standardformen wie Sinus-, Rechteck- oder Dreieckswellen hinaus ermöglichen sogenannte Arbiträr-Wellenformen (arbitrary waveforms) die Programmierung beliebiger, benutzerdefinierter Signalverläufe. Dies ist entscheidend für die realitätsnahe Simulation von Signalen, die in echten Bauteilen und Systemen auftreten.
Ergänzt werden diese Funktionen durch Sequenzfunktionen, mit denen eine Serie von definierten Schritten (z. B. Spannungsanstieg, Haltezeit, Abfall) automatisiert durchlaufen werden kann. Das vereinfacht und beschleunigt komplexe automatisierte Tests enorm.
2. Synchronisation und Parallelbetrieb
Um höhere Ströme oder komplexere Testaufbauten zu realisieren, lassen sich mehrere bipolare Stromversorgungen heute präzise synchronisieren. Dies gewährleistet, dass alle Einheiten simultan exakt das gleiche Profil oder die komplementären Wellenformen ausgeben. Der Parallelbetrieb (Master-Slave-Modus) ermöglicht zudem die einfache Skalierung der Gesamtleistung.
3. Hohe Dynamik und schnelle Umschaltung
Ein weiterer Schwerpunkt der Entwicklung liegt auf schnellen Regelkreisreaktionen und geringem Rauschen bzw. Restwelligkeit (Ripple). Moderne bipolare Stromversorgungen bieten dadurch ein sehr schnelles Ansprechverhalten und sind auch bei schnell wechselnden Lasten und dynamischen Tests stabil und präzise einsetzbar.
4. Digitale Steuerung und Schnittstellen
Die Integration in automatisierte Testumgebungen ist heute Standard. Geräte verfügen über eine Vielzahl digitaler Schnittstellen wie LAN (LXI), USB, GPIB oder RS232. Dies erlaubt das zentrale Laden von Programmen, das Auslesen von Messdaten und die vollständige Fernsteuerung der Testabläufe.
5. Effizienz und Kompaktheit
Durch innovative Architekturen, oft eine Kombination aus „Switching und Linear“ Technologien, wird eine höhere Leistungsdichte erreicht. Dies führt zu kompakteren Bauformen, geringerem Gewicht und einer verbesserten Energieeffizienz im Betrieb.
Kikusui PBZ-Serie: Ein Referenzbeispiel intelligenter bipolarer Stromversorgungen
Ein prominentes und aktuelles Beispiel für die Fähigkeiten moderner bipolarer Stromversorgungen stellt die Kikusui PBZ-Serie dar. Diese Gerätefamilie illustriert exemplarisch die Integration fortschrittlicher Funktionen in einem System.
Funktionen und technische Merkmale
Die PBZ-Geräte sind so konzipiert, dass sie nahtlos durch Null gehen können, also ohne manuelles Umschalten der Ausgänge von positiver zu negativer Polarität. Sie unterstützen den 4-Quadranten-Betrieb, was bedeutet, dass sie nicht nur Energie liefern (Sourcing), sondern auch kontrolliert aufnehmen (Sinking) können.

(Photo by Intelligente bipolare Stromversorgung PBZ-Serie – Kikusui)
Ein wesentliches Feature ist der integrierte Wellenform-Generator mit Sequenzfunktionen, der die Programmierung komplexer Lastprofile ermöglicht. Für höhere Leistungsanforderungen oder komplexe Testszenarien bieten die Geräte die Möglichkeit des Synchronisations- und Parallelbetriebs. Das effiziente Design, oft eine Kombination aus Schalt- und Lineartechnik, ermöglicht ein geringeres Gewicht und eine bessere Dynamik. Standardmäßige Schnittstellen wie USB, LAN (LXI) und GPIB gewährleisten eine reibungslose Integration in automatisierte Testumgebungen. Spezielle Modelle der PBZ-Serie, wie der PBZ BP, erreichen beispielsweise im Konstantspannungsmodus (CV-Modus) eine beeindruckende Charakteristik von 80 kHz. Ein konkretes Modell wie der PBZ40-10 liefert ±40 V und ±10 A.
Vorteile im praktischen Einsatz
Die Vorteile der PBZ-Serie manifestieren sich direkt in der Effizienz und Flexibilität der Testprozesse. Sie vereinfacht Testaufbauten erheblich, da eine einzelne PBZ-Einheit oft mehrere separate Geräte (Stromquelle, Last, Signalgenerator) ersetzen kann. Die hohe Flexibilität ermöglicht die dynamische Anpassung an unterschiedlichste Lasten, sei es induktiver Art (Motoren, Spulen) oder kapazitiver (Kondensatoren). Dank des kompakten Designs und des reduzierten Gewichts fördert sie eine effiziente Raumausnutzung in Laboren. Zudem ermöglichen die standardisierten digitalen Schnittstellen eine vollständige Automatisierung und Fernsteuerung von Tests ohne manuelle Eingriffe.
Anwendungen & Einsatzszenarien
Die Flexibilität und Präzision solch moderner bipolarer Stromversorgungen führt zu einer breiten Palette von Anwendungen in Forschung, Entwicklung, Testlaboren und spezialisierten Industriebereichen. Ihre Fähigkeit, sowohl als Quelle als auch als Last in vier Quadranten zu agieren, macht sie zu einem unverzichtbaren Werkzeug:
Ein wesentlicher Einsatzbereich ist das Testen elektronischer Bauteile. Hier werden präzise Spannungs- und Stromprofile benötigt, um das Verhalten von Widerständen, Dioden, Sensoren, Magnetspulen oder Piezoelementen unter verschiedensten Bedingungen zu analysieren.
Darüber hinaus spielen bipolare Versorgungen eine zentrale Rolle in der Antriebstechnik und bei Motorprüfständen. Sie ermöglichen die realistische Simulation von Motorströmen, inklusive der dynamischen Rückwirkungen, die beim Betrieb von Motoren auftreten.
Dank ihrer Arbiträrfunktionen fungieren diese Geräte zudem oft als hochpräziser Wechselstrom- bzw. Signalgeneratorersatz. Sie können komplexe Wellenformen erzeugen, die sonst nur spezialisierte Wellengeneratoren liefern würden, wodurch Testaufbauten weiter vereinfacht werden.
Ein besonderes Feld sind Tests von Regelungs- und Rückspeisesystemen. Hier werden bidirektionale Fähigkeiten benötigt, um Systeme zu prüfen, die Energie nicht nur verbrauchen, sondern auch zurückführen können (wie regenerative Bremssysteme oder Batteriemanagementsysteme).
Schließlich sind bipolare Stromversorgungen auch in Forschung und Lehre weit verbreitet. Universitäten und Forschungslabore nutzen diese Geräte für experimentelle Arbeiten und zur Vermittlung komplexer elektrotechnischer Prinzipien.
Herausforderungen und Grenzen intelligenter Stromversorgungen
So leistungsfähig und vielseitig moderne bipolare Stromversorgungen auch sind – bei der Planung und Implementierung sollten Unternehmen und Labore einige kritische Aspekte berücksichtigen:
Der erste Faktor sind die Anschaffungskosten. Hochwertige bipolare Stromversorgungen mit vollem Funktionsumfang (4-Quadranten-Betrieb, Arbiträr-Wellenformen etc.) stellen eine erhebliche Investition dar. Ihre Wirtschaftlichkeit ergibt sich meist nur durch den Zusammenschluss mehrerer Geräte und die daraus resultierende Zeitersparnis.
Ein weiterer Punkt ist die technische Komplexität. Die Konfiguration, Synchronisation mehrerer Geräte sowie die Einstellung von komplexen Sequenzen erfordert ein ausgewiesenes fachliches Wissen. Die Vielseitigkeit geht hier mit einem höheren Einarbeitungsaufwand einher.
Trotz leistungsfähiger Topologien sind auch Effizienzverluste nicht vollständig zu vermeiden. Diese treten insbesondere beim Übergang zwischen den Quadranten, bei der Stromumwandlung oder im Hochfrequenzbereich auf. Zudem müssen bei kritischen Anwendungen die Reststörungen wie Rauschen und Ripple kontinuierlich minimiert werden, was eine hochwertige Regelungstechnik und Filterung erfordert.
Zuletzt muss die Frage der Netzanbindung und Rückspeisung geklärt werden. Auch wenn das Gerät prinzipiell zur Energierückführung fähig ist, dürfen diese Funktionen nicht immer oder nur unter speziellen Netzkompatibilitäts-Auflagen verwendet werden, was lokale Vorschriften notwendig machen.
Fazit: Intelligente Versorgung als Herzstück der Testautomatisierung
Moderne bipolare Stromversorgungen haben sich von einfachen Laborgeräten hin zu hochintegrierten, intelligenten Mess- und Simulationszentralen entwickelt. Der 4-Quadranten-Betrieb in Kombination mit flexiblen Wellenform- und Sequenzfunktionen ermöglicht eine Präzision und Automatisierung von Tests, die mit herkömmlichen Methoden kaum erreichbar wäre.
Insbesondere in Anwendungsfeldern wie der E-Mobilität, der Antriebstechnik und der Entwicklung von Regelungssystemen sind diese Geräte aufgrund ihrer Fähigkeit, sowohl Energie zu liefern als auch aufzunehmen, heutzutage unverzichtbar geworden.
Die Investition in diese Technologie zahlt sich immer dann aus, wenn Komplexität reduziert und die Testdauer minimiert werden soll. Wer in der Entwicklung von Hochleistungselektronik führend bleiben will, kommt an der Intelligenz und Flexibilität moderner bipolarer Stromversorgungen kaum vorbei.

